Biologischer Ursprung von Geschmackspräferenzen
Kinder lieben süße, salzige und energiedichte Nahrungsmittel, aber lehnen Bitteres und Saures eher ab. Woher kommt das eigentlich? Kinder sind im Gegensatz zu Erwachsenen intuitive Esser und werden stärker durch genetische Schutzprogramme beeinflusst. Auch die Geschmackspräferenzen von Kindern sind ein solches Programm. Süße Früchte sind reif und liefern Energie und Vitamine sowie Mineralstoffe. Auch andere energiedichte Nahrungsmittel, die bspw. fettreich sind, machen lange satt und waren evolutionsgeschichtlich ein großer Vorteil. Eine Präferenz für Salz ist ebenfalls genetisch verankert, da Salz in der Vergangenheit ein knappes Gut war. Bitterer und saurer Geschmack hingegen könnte auf verdorbene, unreife oder sogar giftige Nahrungsmittel hinweisen (Gätjen & Keller, 2020).
Geschmackspräferenzen beeinflussen
Die angeborene Abneigung gegen bittere und saure Geschmäcker zeigt, dass die Akzeptanz von einigen Gemüsesorten, wie bspw. Brokkoli nicht intuitiv ist und deshalb durch Erziehungspersonen gelernt werden muss (Vandeweghe et al., 2016). Auch wenn diese genetischen Verankerungen zu einem früheren Zeitpunkt einmal überlebenswichtig waren, stellen sie unter den heutigen Lebensbedingungen eher ein Problem dar (Gätjen & Keller, 2020). Es ist deshalb notwendig, die Akzeptanz einer Lebensmittelvielfalt bei Kindern zu stärken, um eine bedarfsgerechte Ernährung zu ermöglichen (Gutknecht et al., 2017). Das ist besonders relevant, weil das in der Kindheit entwickelte Essverhalten bis ins Erwachsenenalter fortbesteht (Wergedahl et al., 2021).
Früher Kontakt mit Geschmacksstoffen
Neben der evolutionsbiologischen Geschmacksprägung, gibt es eine Vielzahl anderer Faktoren, die den Geschmack von Kindern im frühen Leben prägen. Schon das Fruchtwasser, die Muttermilch und die Beikost haben einen Einfluss auf die Entstehung von Geschmackspräferenzen (Peterseil et al. 2016). Aromastoffe aus der Ernährung der Mutter können in das Fruchtwasser und später auch in die Muttermilch übergehen. Der Kontakt mit diesen Aromastoffen kann das zukünftige Ernährungsverhalten des Kindes beeinflussen. Gestillte Säuglinge sind einer größeren Anzahl an Aromastoffen ausgesetzt als durch Säuglingsmilchnahrung ernährte Säuglinge, auch das kann einen Einfluss auf die Geschmacksprägung haben (Peterseil et al. 2016).
Soziales Umfeld
Ein weiterer relevanter Einfluss für die Geschmacksprägung von Kindern ist das soziale Umfeld. Kinder lernen das Essen vor allem auch durch die Auseinandersetzung mit ihrer Umwelt. Beziehungen zu Menschen, von denen sie das Essen lernen, sind wichtig. Dazu gehören bspw. Eltern, Großeltern und Erzieher:innen (Gätjen, 2020). Das Verhalten in der frühen Kindheit wird durch Beobachtung und Nachahmung erlernt (Bandura, 1986). Damit Kinder eine gute Beziehung zum Essen aufbauen können, sollten ihre Bezugspersonen sowohl eine positive Beziehung zum Kind als auch zum Essen haben. Dabei ist es wichtig, dass den Kindern Autonomie zugesprochen wird. Zwang löst negative Gefühle aus und verstärkt die Abneigung gegenüber Lebensmitteln (Gätjen, 2020).
Verhalten der Familie
Das Essverhalten der Familie ist ein wichtiger sozialer Einflussfaktor für die Bildung von Essgewohnheiten von Kindern (Yee et al., 2017). Studien zeigen, dass die Einnahme gemeinsamer Familienmahlzeiten ein bedeutender Zeitpunkt ist, um das Essverhalten von Kindern zu prägen (Mahmood et al., 2021). Eltern beeinflussen vor allem durch eine ermutigende Vorbildfunktion und weniger übermäßigen Druck (Mahmood et al., 2021). Besonders für Kinder, die von Neophobie betroffen sind, ist das Verhalten der Menschen in ihrer Umgebung von entscheidender Bedeutung. Wenn Betreuungspersonen vor ihnen ein gefürchtetes Lebensmittel verzehren und dabei positive Emotionen vermitteln, kann das dabei helfen, die Angst zu überwinden (Gutknecht et al., 2017).
Verhalten von Erzieher:innen
Studien weisen darauf hin, dass auch Betreuer:innen wie Erzieher:innen in KiTas einen wichtigen Einfluss auf die Akzeptanz der angebotenen Speisen haben können. Wichtige Strategien sind das Ermutigen zum Probieren neuer Speisen, das Ausüben einer Vorbildfunktion durch das gemeinsame Essen und das Durchführen von Aktivitäten zur Ernährungsbildung (Hasnin et al., 2022; Wang et al., 2022).
Weitere Einflussfaktoren
Das Essverhalten von Kindern wird zusätzlich durch weitere Faktoren beeinflusst. Dazu gehören auch das Selbstwertgefühl des Kindes und die aktuelle Stimmung sowie die Essumgebung. Zudem brauchen Kinder bis zu 20 Kontakte mit demselben Lebensmittel, bis sie es mögen. Wenn Kinder Kontakt mit einem Lebensmittel aufnehmen, ist es wichtig diesen über alle Sinne zuzulassen. Dazu gehören neben dem Geschmack auch Sehen, Hören, Fühlen und Riechen (Gätjen & Keller, 2020).

Quellen
Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action: A social cognitive theory. Prentice-Hall series in social learning theory. Prentice-Hall.
Gätjen, E. (2020). Wie Kinder Essen erleben und erlernen. Ernährung & Medizin, 35(02), 81–89. https://doi.org/10.1055/a-1115-9227
Gätjen, E. & Keller, M. (2020). Vegane Kinderernährung: Gut versorgt in jeder Altersstufe : mit über 100 Rezepten. Ulmer.
Gutknecht, D., Höhn, K. & Maddalena, G. de. (2017). Essen in der Kinderkrippe: Achtsame und konkrete Gestaltungsmöglichkeiten (1. Auflage). Verlag Herder. http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:31-epflicht-1259739
Hasnin, S., Saltzman, J. A. & Dev, D. A. (2022). Correlates of children’s dietary intake in childcare settings: A systematic review. Nutrition reviews, 80(5), 1247–1273. https://doi.org/10.1093/nutrit/nuab123
Mahmood, L., Flores-Barrantes, P., Moreno, L. A., Manios, Y. & Gonzalez-Gil, E. M. (2021). The Influence of Parental Dietary Behaviors and Practices on Children’s Eating Habits. Nutrients, 13(4). https://doi.org/10.3390/nu13041138
Peterseil, M., Gunzer, W. & Fuchs-Neuhold, B. (2016). Einflussfaktoren auf die Geschmacksentwicklung von Säuglingen. Pädiatrie & Pädologie, 51(4), 156–161. https://doi.org/10.1007/s00608-016-0396-2
Vandeweghe, L., Moens, E., Braet, C., van Lippevelde, W., Vervoort, L. & Verbeken, S. (2016). Perceived effective and feasible strategies to promote healthy eating in young children: focus groups with parents, family child care providers and daycare assistants. BMC Public Health, 16(1), 1045. https://doi.org/10.1186/s12889-016-3710-9
Wang, X., Wu, L., Liu, Q. & Wu, Y. (2022). Dietary Environment in Early Care and Education Settings and Young Children’s Eating Behavior: A Systematic Review of Literature. American journal of health behavior, 46(5), 541–557. https://doi.org/10.5993/AJHB.46.5.5
Wergedahl, H., Fossgard, E., Aadland, E. K. & Holthe, A. (2021). Children’s Food Choices during Kindergarten Meals. In E. Eriksen Ødegaard & J. Spord Borgen (Hrsg.), Childhood Cultures in Transformation (S. 138–161). BRILL. https://doi.org/10.1163/9789004445666_007
Yee, A. Z. H., Lwin, M. O. & Ho, S. S. (2017). The influence of parental practices on child promotive and preventive food consumption behaviors: a systematic review and meta-analysis. The international journal of behavioral nutrition and physical activity, 14(1), 47. https://doi.org/10.1186/s12966-017-0501-3